Rollenbilder begleiten uns ein ganzes Leben. Sie beeinflussen unser Denken und Handeln und prägen uns seit unserer Geburt. Doch wie sieht es eigentlich aus, wenn wir uns bewusst mit ihnen auseinandersetzen? Elena, eine junge engagierte Feministin, hatte viel über ihre eigenen Erfahrungen zu berichten.
Ein Junge tanzt im Tutu Ballett, ein Mädchen spielt im blauen Trikot Fussball. Wie fühlt sich dies an? Diese Konstellation entspricht nicht unseren Vorstellungen. Die Kategorisierung «Mann und Frau» sind durcheinandergeraten. Die Ordnung, die wir uns schaffen, entspricht nicht unseren Normvorstellungen. Es stellt sich nun die Frage, was normal ist und wie es sich erklären lässt?
Stell dir vor, du sitzt in einem Kaffee, hörst das Klirren von Kaffeetassen, ein Wasserbrunnen fliesst im Hintergrund und nimmst die Autos wahr, die vorbeifahren und einen ätzenden Geruch zurücklassen. Du machst es dir auf einem alten Holzstuhl gemütlich und hängst deinen Gedanken nach. Diese Gedanken mit einer Person zu teilen beschwingt dich. Genau in so einer Situation durfte ich Elena kennen lernen.
Die Welt aufräumen
In unserer Gesellschaft wird jedem Menschen ein bestimmtes Rollenbild zugeschrieben, das von der Familie, den Freunden, den Medien und anderen Faktoren beeinflusst wird. Diese Rollenbilder definieren, wie wir uns verhalten sollen, welche Aufgaben wir übernehmen und welche Ziele wir anstreben sollten. In vielen Fällen sind diese Rollenbilder stark geschlechtsbezogen, was zu einer Trennung und Diskriminierung zwischen den Geschlechtern führen kann. Rollenbilder vermitteln jedoch auch ein starkes Sicherheitsgefühl. Unser Gehirn kategorisiert sehr gerne die meisten Bereiche des Lebens. Dadurch weiss das Gehirn, wer, was, wo “hingehört”, und unsere eigene Welt wirkt aufgeräumt. Dies könnte sogar ein Vorteil von Rollenbildern sein. Wie diese Rollenbilder die Gesellschaft beeinflussen, zeigt das Beispiel von Elena.
Typisch für das eigene Geschlecht
«Ich verwende das Pronomen ‹sie›», stellt sich Elena vor. Bereits in dieser Aussage wird deutlich, wie wichtig es ist, sich bewusst mit der eigenen Identität auseinanderzusetzen. Denn Rollenbilder sind eng mit unserem Geschlecht verknüpft und beeinflussen unser Verhalten. In der Schweiz gibt es ca. siebzehntausend Intersexuelle Personen, die sich nicht eindeutig als Mann* oder Frau* fühlen. Etwa 36% ordnen sich dem Non-Binären Spektrum zu. Meine Gesprächspartnerin wurde weiblich sozialisiert. Elena erzählt nachdenklich mit den Augen auf den Boden oder in den strahlenden Himmel gerichtet, dass sie in einem relativ klassischen Haushalt aufgewachsen ist, in dem typische Spielzeuge für Mädchen* und Jungs* verfügbar waren. Doch auch hier gab es Ausnahmen wie zum Beispiel eine Playstation im Mädchenzimmer.
“Weiblichkeit sowie auch Männlichkeit ist ein Spektrum. Wenn du dich weiblich fühlst, dann bist du es auch!”
Rollenbilder in der Berufswelt
Rollenbilder beeinflussen die Berufswahl, die Aufgabenverteilung und das Gehalt von Frauen* und Männern* in der Arbeitswelt. Die Auswirkungen von Rollenbildern auf die Berufswahl von Elena sind deutlich erkennbar. Elena nimmt immer wieder einen Schluck heissen Kaffee und entscheidet sich währenddessen, was sie berichten möchte. In ihrer Kindheit war sie ein sehr angepasstes und fürsorgliches Kind, was typisch für die weibliche Sozialisation spricht. Sie studierte an der Pädagogischen Hochschule und war danach einige Zeit als Lehrerin tätig. Im Studium hatte sie ausschließlich weibliche Kommilitoninnen und später auch Kolleginnen, teilte sie fast ein bisschen enttäuscht mit. Nur etwa 35% der Schweizer Lehrpersonen sind Männer**.* Doch welche Auswirkungen hat dies auf die Betreuung von Mädchen* und Jungen* in diesem Beruf? «Ich kann mir gut vorstellen, dass ich Mädchen* und Jungs* nicht gleich behandelt habe», äussert sich Elena gedankenversunken. Die Augen träumerisch auf den Pflastersteinboden gerichtet und mit den Händen an ihrer warmen Kaffeetasse, erklärt sie, dass sie sich deshalb bewusst mit diesem Thema auseinandersetzte und versuchte, jedes Kind möglichst gleich zu behandeln. So spricht sie beispielsweise freudestrahlend von der «Familienecke», statt von der «Baby- oder Puppenecke», um auch den Jungs* die Möglichkeit zu geben, sich dort wohlzufühlen.
“Was mir sehr viel Kraft gibt, ist, dass ich mir Leute suche, die gleichgesinnt sind”
Hoffnung
Der blaue, leuchtende Himmel wird dunkler und die Autos werden weniger. Das Gespräch nimmt langsam ein Ende. Es fallen nur noch wenige aber bedeutsame und aufmunternde Worte. Es ist wichtig, sich Menschen zu suchen, die einem selber und die eigene Lage nachvollziehen können und mit denen man sich austauschen kann. “Sich mit Rollenbildern auseinanderzusetzen gibt einem ein Gefühl von Freiheit, dass alle Rollenbilder nur Illusionen sind und überhaupt nichts mit unserer «Natur» gemein haben. Es fühlt sich sehr befreiend an zu wissen, dass egal ist was ich mache oder wie ich mich anziehe, eine Frau bin und so sein kann wie ich bin.” Diese Worte möchte Elena den jungen Frauen* und Männern* mitgeben, die mit Rollenbilder zu kämpfen haben. Mit diesem Schlusswort trinkt Elena ihren Kaffee aus und macht sich auf den Weg in die Unabhängigkeit.